Transformation der ehemaligen Arbeitersiedlung in Ternitz: Resiliente Quartiersentwicklung bottom-up gestalten
„Transform Ternitz“ begleitet die Transformation einer ehemaligen Arbeitersiedlung in der niederösterreichischen Gemeinde Ternitz. Vor Ort wird ein interaktives Labor für Quartiersentwicklung eingerichtet - interessierte Bewohner*innen und lokale Akteur*innen können so eine aktive Rolle in der zukünftigen Entwicklung der Siedlung einnehmen, diese bottom-up mitgestalten und ihre Bedürfnisse, Interessen und Talente in die Entwicklung konkreter Maßnahmen für die Siedlung einfließen. Konzepte zur nachhaltigen Transformation der gesamten Siedlungsstruktur – in Hinblick auf den räumlichen Bestand, die Freiräume, nachhaltige Energieversorgung und ökonomische Vitalität – werden partizipativ erarbeitet und prototypische Maßnahmen durch Demonstrationshäuser und Impulsnutzungen gemeinsam umgesetzt und erprobt. Die daraus gewonnenen Erfahrungen werden in verschiedenen Transfer-Formaten auch überregional an relevante Stakeholder weitergegeben.
Vorstellung des Projekts "Transform Ternitz" im Rahmen von 10 Jahre Stadtteilarbeit der Caritas Wien
Ausgangssituation
Der Gedanke an Stadt ist aktuell meist mit der Vorstellung von Wachstum verbunden. Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts ist der Prozentsatz der globalen Bevölkerung in Städten von 2% auf 50% zu Beginn des 20. Jahrhunderts angestiegen. Prognosen rechnen mit 75% im Jahr 2050. Doch gleichzeitig existieren ehemalige von der Industrie geprägte Städte, die im Zuge eines strukturellen Wandels der globalen Produktionsverhältnisse seit Jahrzehnten einen Rückgang von Einwohner*innen verzeichnen. Auch abseits des wohl berühmtesten Beispiels, der ehemaligen „Motorcity“ Detroit, ist dieses Phänomen in Österreich und Deutschland in ehemals industriell geprägten Regionen zu beobachten. Die meisten Städte mit dieser Problemstellung befinden sich in den westlichen Industriestaaten. Die Ursachen reichen von Naturkatastrophen, über sich wandelnde Lebensformen und Lebensstile und damit einhergehenden demographischen Entwicklungen bis hin zu Abwanderung von Industrie. Wie wachsende Städte stehen auch diese Städte vor enormen Herausforderungen, jedoch werden diese weniger erforscht und auch das Interesse für Investitionen hält sich in Grenzen. Doch in schrumpfenden Städten liegt räumlich ein großes Potenzial für Umgestaltung, das die Möglichkeit bietet, Stadt neu zu denken.
Ziele & Ergebnisse
Ziel des Projektvorhabens ist es, eine ehemalige Arbeitersiedlung in Ternitz, die so genannte „Dreiersiedlung“, welche aktuell einen hohen Sanierungsbedarf aufweist, von starkem Wohnungsleerstand betroffen ist und auch in sozialer Hinsicht mit dem Image einer „Problemsiedlung“ kämpft, zu einem erneut lebendigen und resilienten Siedlungsorganismus zu transformieren. Angestrebte Ergebnisse des Projektvorhabens sind einerseits bedarfsgerechte Lösungen für die „Dreiersiedlung“, wo aus dem Leerstand heraus neue Wohnformen und Nutzungs-mischungen entstehen, wo Freiräume zu neuen sozialen Treffpunkten und Orten der Selbstversorgung werden, wo die alten Einzelöfen einer nachhaltigen und vernetzten Energieversorgung Platz machen und wo gleichzeitig auch geeignete Rechts- und Finanzierungsmodelle entwickelt werden. Andererseits gehen die Ergebnisse auch über das Einzelprojekt hinaus und können insgesamt für einen innovativen Umgang mit dem historischen Erbe von Arbeitersiedlungen als Vorlage dienen – sowohl in der ehemaligen „Stahlstadt“ Ternitz als auch darüber hinaus.
Innovation
Herzstück des Projekts ist ein partizipativer Prozess: Vor Ort wird ein interaktives Quartiersentwicklungslabor eingerichtet, in dem die Transformation bottom-up (mit)gestaltet werden kann. Interessierte Bewohner* innen und lokale Akteur*innen nehmen dabei eine aktive Rolle ein. Konzepte zur nachhaltigen Transformation der gesamten Siedlungsstruktur werden partizipativ erarbeitet und prototypische Maßnahmen durch Demonstrationshäuser und Impulsnutzungen gemeinsam umgesetzt und erprobt. Besonders innovative Aspekte sind Selbstbau-Konzepte für die Sanierung, ein kreativer Umgang mit Leerstand, sowie die Entwicklung von Maßnahmenbündeln, die erstmals im Bestand des sozialen Wohnbaus eine Plus-Energie-Sanierung zum Ziel haben.
Forschungsergebnisse in die Praxis überleiten
Das gegenständliche Projekt knüpft direkt an eine Voruntersuchung in Form eines Werkstattverfahrens des Bauträgers Schwarzatal an, bei dem die meisten Projektpartner*innen als Expert*innen involviert waren. Darüber hinaus werden auch aktuelle Forschungsergebnisse zur Transformation ehemaliger Arbeitersiedlungen einbezogen sowie Best-Practice-Projekte der partizipativen Modernisierung und Quartiersentwicklung (die teilweise in einer gemeinsamen Studienreise besucht werden).
Stadt als Testbed nutzen
Mit einem interaktiven Labor für Quartiersentwicklung bottom-up werden in der Dreiersiedlung Experimentierräume geschaffen, um den Bestand nach aktuellen Bedürfnissen umzudeuten und umzunutzen. Bewohner*innen und lokale Akteur*innen werden involviert – Bedürfnisse und Fähigkeiten werden zum Ausgangspunkt für die Entwicklung von Konzepten und prototypischen Maßnahmen in den Bereichen Gebäude, Freiraum, Energie und Ökonomie, die gleichzeitig auch die Nachbarschaft und das Gemeinwesen beleben.
Kommunalen Mehrwert erzeugen
Die Maßnahmen zur Transformation der Siedlung tragen zu zukunftsorientiertem Wohnen, nachhaltiger Aktivierung der Freiraumpotenziale und klimafreundlicher Energieversorgung bei. Damit soll auch ein Mehrwert für die gesamte Kommune geschaffen werden. Die aus dem Projekt gewonnenen Erfahrungen eröffnen zudem neue Lösungsansätze und Handlungsstrategien für den großen Bestand an Arbeitersiedlungen in Ternitz insgesamt und werden in Transfer-Formaten auch an relevante Stakeholder weitergegeben.
Summary
The aim of the project is to revive a former workers' settlement in Ternitz into a resilient organism, the so-called "Dreiersiedlung", which currently has a high need for renovation, is affected by a high number of vacancies and is also struggling with the image of a "problem settlement". The heart of the project is a participatory process: an interactive neighborhood development laboratory will be set up on site, in which the transformation can be designed bottom-up. Interested residents and local actors play an active role in this. Concepts for the sustainable transformation of the entire settlement structure are developed in a participatory manner, and prototypical measures are implemented and tested jointly through demonstration houses and impulse uses. Particularly innovative aspects are self-construction concepts for renovation, creative handling of vacancies, as well as the development of bundles of measures that, for the first time in the social housing sector, aim at energy-plus renovation. The results of the project are, on the one hand, needs-based solutions for the “Dreiersiedlung”, where vacancies are transformed into new forms of living and mixed uses, where open spaces become new social meeting points and places of self-sufficiency, where the old individual stoves give way to a sustainable and networked energy supply, and where at the same time suitable legal and financing models are developed. On the other hand, the results go beyond the individual project and can serve as a template for an innovative approach to the historical legacy of workers' settlements - both in the former "steel town" of Ternitz and beyond.