BuildyourCity2gether Wien Aspern
Klimawandel und Knappheit von Ressourcen stellen Städte weltweit vor große Herausforderungen und erfordern neue Denkansätze, neue Konzepte, neue Strategien. Auch Wien hat dahingehend mit der 2011 gestarteten Smart City Initiative und der 2014 beschlossenen Smart City Wien Rahmenstrategie bereits Weichen gestellt. Daher sollten vermehrt auch BürgerInnen, Betroffene und Laien in die Stadtentwicklung miteinbezogen werden, wie unter anderem im von der Magistratsabteilung 18 erstellten Werkstattbericht „Perspektiven einer smarten Stadtentwicklung“ nachzulesen ist. Das Projekt „BuildyourCity2gether“ setzte genau bei dieser Forderung an: Ziel war die Sondierung eines Prototyps für ein mehrgeschossiges energie-effizientes Lowtech-Bauvorhaben in der Seestadt Aspern. Dabei sollte auf ökologische Aspekte eingegangen, aber auch finanzielle und rechtliche Rahmenbedingungen abgeklärt werden.
Ausgangssituation
Die Kombination einer urbanen Baugruppe im Selbstbau in klimapositiver Bautechnologie mit einer urbanen gemeinschaftlichen Landwirtschaft stellt
einen erheblichen Innovationssprung dar. Im Kontext des Living-Lab vienna.transitionBASE (tBASE) am Westufer des Asperner Sees wurden seit Herbst 2011 Low-Tech-Prototypen, komplementäre Begrünungsvarianten, regenerative Energielösungen und Selbstorganisationsprozesse getestet.
Elemente unterschiedlicher Modelle wie ‘Smart City’, ‘Transition Town’, ‘Eco Village’ und ‘Essbare Stadt’ wurden aufgegriffen und zu einer Dorfsimulationverschränkt, um zu veranschaulichen, welche Systembausteine kostensparende und resiliente Wohn-, Grün- und Sozialräume bedingen und ermöglichen. Die Sondierung wurde durchgeführt, um zu testen ob und in welcher Form gemeinschaftlicher Selbstbau mit klimaneutralen Rohstoffen im urbanen Baukontext realisierbar sein kann und unter welchen Voraussetzungen Subsistenzversorgung durch gemeinschaftliche Landwirtschaftsmodelle im Kontext einer Baugruppe möglich ist.
Ziele und Ergebnisse
Diese Kombination soll Citizen-Empowerment und -Involvierung, Entfaltung von Nachhaltigkeitskompetenzen, CO2-positive Bauweisen und
Kostenersparnisse in den Bereichen urbanes Wohnen und Versorgung ermöglichen. Es wurde auf ökologische Aspekte wie Gebäudebegrünungen oder die Integration vorhandener Vegetation – im Hinblick auf urbane Regionalversorgung und mikroklimatische Wirkungen – eingegangen. Teilziele bzw. notwendige Voraussetzungen für die Umsetzung des Prototypen waren:
1. Klärung der Anforderungskriterien für die am urbanen Selbstbau und der urbanen Landwirtschaft beteiligten Laien
2. Bestimmen diesbezüglicher Stakeholder und Zielgruppensegmente
3. eine geeignete Zielgruppenkommunikation / PR-Arbeit
4. Auswahl geeigneter Simulations-Teilnehmer*innen (Clearing)
5. Aufbau und Prozessbegleitung der Versuchsbaugruppe
6. Klärung planerischer, sicherheits- relevanter und rechtlicher Rahmenbedingung
7. Die Selektion eines geeigneten Baufeldes sowie geeigneter Bautechnologien und Baustoffe
8. Detailplanung des Prototypen und Baueinreichung
9. Entwickeln von Planungs- und Bau-Workshops zur Realisierung des Bau-Prototypen und Sondierung / Planungeiner gemeinschaftlichen Landwirtschaft
10. Bestimmen geeigneter Finanzierungsmodelle und Umsetzen einer Fundraisingstrategie.
Ergebnisse: Ein integrativer Planungsprozess unter Einbeziehung der ExpertInnen und Laien ermöglichte die erfolgreiche Umsetzung des Prototypen “baus!”. Die Evaluierung des Entwicklungs-, Planungs- und Bauprozesses sowie des Prototyps eröffnet Erkenntnisgewinne zu finanziellen, zeitlichen und ökologischen Kosten und Ersparnissen, bautechnischen Fragen sowie zu Strategien und Empfehlungen für die Projektsteuerung und das Risikomanagement bei selbstorganisierten und gemeinschaftlich geplanten und umgesetzten urbanen Bau- und Landwirtschaftsprojekten. Für die Umsetzung einer urbanen CMA zu Selbstversorgerzwecken wurden erforderliche Schritte im Rahmen eines Etappenplans festgehalten, der auch für künftige Projekte und bereits bestehende Gemeinschaftsgärten als Leitfaden zur Umsetzung einer gemeinschaftlichen Landwirtschaft dienen
kann. Die Ergebnisse wurden im vorliegenden Bericht zu einem Synthesebild zusammengefügt. Zur Beantwortung der Fragestellungen wurde aus den Teilergebnissen ein Fahrplan für erste konkrete Realisierungen erarbeitet. Dieser Fahrplan enthält mögliche künftige Forschungsdesigns und Finanzierungskonzepte.
Innovation
Die Kombination aus Selbstbau- und urbaner Selbstversorgung ist ein Forschungsbereich, für den es noch keine realen Umsetzungsbeispiele gibt.
Dadurch sind noch einige Forschungsfragen offen, die im Zuge von weiteren Sondierungen aber auch in der notwendigen Grundlagenforschung oder in derBeforschung von Teilaspekten weiter bearbeitet werden müssen. Dennoch lässt sich schon jetzt sagen, dass ökologischer Selbstbau mit Laien in der Stadt grundsätzlich möglich ist und bspw. die vier vorgeschlagenen Bautypen und Materialien des Toolkits für urbanen Selbstbau (Fürst et al.,2017) sowie die Variante für verdichteten Flachbau, welche in dieser Sondierung umgesetzt wurde, für den Selbstbau geeignet sind. Dafür gibt es hinreichende Erfahrungswerte aus ruralen Projekten mit geringer Geschoßzahl, aus welchen verlässliche Schlüsse auf die unterschiedlichen Selbstbautypen gezogen werden können. Aus der vorliegenden Sondierung lässt sich ableiten, dass neben den bautechnischen Fragestellungen die Fragen der Projektsteuerung,Prozessbegleitung und des Risikomanagements auch zukünftig einen wichtigen Forschungsbereich darstellen. Vor allem mit dem Ziel, dies für
zukünftige Selbstbaugruppen in Selbstorganisation zu bewerkstelligen. Da Selbstbau per se für die Projektsteuerung mehr Unbekannte impliziert als herkömmliche Bauprozesse, da bspw. die tatsächliche Leistungsfähigkeit einer Gruppe im Baukontext zu Beginn nur grob vorhersehbar ist und bspw. im Falle einer Fehleinschätzung Strategien vorhanden sein müssen, die verhindern, dass der Prozess zeitlich oder finanziell entgleist.
Hier ist es erforderlich, noch mehr Verständnis über gruppenspezifische Risiken und entsprechende Managementstrategien zu entwickeln. Welche Typen von Selbstbaugruppen gibt es? Wie lassen sich Stärken und Schwächen von Gruppen klassifizieren und diagnostizieren und welche Instrumente können Gruppen oder Moderator*innen von Gruppen für ihre
(Selbstorganisations)-Prozesse an die Hand gegeben werden? Hier eröffnet sich ein weites Forschungsfeld, das jedoch letztlich darauf angewiesen ist, dass erste Umsetzungsprojekte mit einer Begleitforschung in eine konkrete Realisierung gelangen. Eine erste konkrete Umsetzung, die sich aus B2G entwickelt hat, ist das Projekt ‘Essbare Seestadt’ mit einer Laufzeit von Juli 2018 bis Dezember 2020, welches im Rahmen der 5. Stadt der Zukunft Ausschreibung (BmVIT) im Themenfeld “Auswirkungen von Begrünungsvorhaben” eingereicht und bewilligt wurde. Das Projekt lotet in Kooperation mit Bewohner*innen und Initiativen der Seestadt Aspern (Wien) die Wirksamkeit der
Lebensmittelversorgung aus eigener Produktion im urbanen Raum (bei privaten und öffentlichen Freiräumen, Dachflächen, Gebäuden) hinsichtlich Klimawandelanpassung, Selbstversorgungspotenzial und Ressourceneffizienz aus. Es wird untersucht, welche Voraussetzungen und Anreize Betreiber*innen eines “essbaren Stadtteils” brauchen und welche Beiträge eine “essbare Stadt” für einen klimaneutralen resilienten Stadtteil leistet bzw. leisten kann. Damit geht `Essbare Seestadt´ hinsichtlich der Zielsetzung urbaner Selbstversorgung über den Horizont von B2G hinaus, indem es einen ganzen Stadtteil mit der Thematik bearbeitet.
Projektdaten – Sondierungsprojekt im 8. Call aus dem Jahr 2016 |
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Projektstart: | 06.03.2017 |
Projektende: | 06.04.2018 |
Genehmigte Förderung: | € 123.397,– |
Genehmigte Projektgesamtkosten: | € 156.908,– |
Konsortium |
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United Creations (Konsortialführung) |
Plenum – Gesellschaft für ganzheitlich nachhaltige Entwicklung GmbH |
Universität für Bodenkultur Wien – Institut für Landschaftsplanung (ILAP) |
Technisches Planungsbüro DI Leo Obkircher OG |
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) Österreich |
Institut für partizipative Sozialforschung IPS |
Gartenpolylog – GärtnerInnen der Welt kooperieren |
Summary
The objective of “BuildYourCity2gether” was to gather information on a collaborative, self-built, energy-efficient, multi-storey, low-tech building project. The legal and planning requirements were also explained. In order to answer practical implementation questions, a one-storey prototype was constructed by laymen supervised by experts. A training programme was being implemented and a crowdfunding programme set up for financing. This was included in an overall implementation concept for a multi-storey demo project that would be constructed either on the Seestadt Aspern test grounds or at an alternative site.
Zuletzt aktualisiert am 02/22/2021