#6 Juni 2018 – Wer teilt, bekommt mehr

Gemeinsam ist besser als einsam. Zusammen sind wir stark. Geteiltes Glück ist doppeltes Glück: Dass es eine gute Idee ist, sich zusammenzutun und zu teilen, ist kein neuer Gedanke. Und doch wird er heutzutage vermehrt bewusst von vielen Menschen aufgegriffen und in neuen Formen der Alltagsbewältigung verwirklicht.

Gemeinsam leistbar

Wenn man etwas alleine nicht schafft, ist das ein guter Grund, sich mit anderen zusammenzutun. Wie zum Beispiel einen Arbeitsraum zu mieten, der zu teuer ist. Miriam Mieschendahl ist eine Gründerin von imGrätzl.at, einer Online-Plattform, die die Belebung der Wiener Grätzel durch Vernetzung der lokalen AkteurInnen fördert. Unter anderem vermitteln sie Raumpartnerschaften, denn in mehreren hundert Interviews mit selbständig Berufstätigen haben sie und ihr Team festgestellt, dass der Mangel an leistbaren Gewerbeflächen eine große Hürde beim Aufbau von Selbständigkeit ist: „Ganz viele der Selbständigen verdienen nicht viel. Da fällt die Miete für eine Gewerbefläche sehr stark rein. Und wenn man tatsächlich einen Raumpartner hat und mit dem Geld was anderes machen kann: Fantastisch!“

Synergien entstehen

Doch Geld ist bei weitem nicht der einzige Faktor, der dafürspricht, Raum zu teilen. Es gibt so viele verschiedene Ressourcen, die dabei zugleich geteilt werden können. Wie zum Beispiel Werkzeug, Zeit, Gedanken und Wissen. Außerdem ergeben sich Synergien: „Aus Kooperationen und Zusammenarbeiten können ganz viele neue Dinge entstehen. Man kann sich gegenseitig unterstützen. Das bringt die EinzelkämpferInnen stärker nach vorne und hilft ihnen, ihre Ideen umzusetzen“, weiß Mieschendahl.

Ein anderes Feld für gemeinsam nutzbare Räume ist das Wohnen. Gerade im städtischen Raum bietet die gemeinsame Nutzung von Raumressourcen ein enormes Potenzial in der effizienteren Nutzung des vorhandenen Platzes sowie der Bereicherung des Lebensraumes vieler BewohnerInnen.

Einmal Teilen ist vielfacher Nutzen

Teilen hat Vorteile für EigentümerInnen, BewohnerInnen, InvestorInnen und das ganze Stadtquartier. Julia Beck ist Teil eines Teams, welches gemeinsam mit BesitzerInnen und BewohnerInnen eines gründerzeitlichen Häuserblocks in Wien Ottakring die gemeinsame Nutzung verschiedener Rauminfrastrukturen erarbeitet. Jedes Gebäude stellt gewisse Bereiche, wie zum Beispiel Dachfläche für Photovoltaikanlagen oder einen Gemeinschaftsraum für alle zur Verfügung und kann ebenso die Angebote der anderen nutzen. Der auf einem Dach erzeugte Solarstrom kann beispielsweise zur Speisung eines gemeinsamen Elektro-Fuhrparks verwendet werden, ein vormaliges Privatfahrzeug kann in den Fuhrpark eingegliedert werden.

Smart gedacht, gibt es vielfältige Möglichkeiten für Mehrwert – so lässt sich durch die Verbindung von Innenhöfen mehr Grünfläche für alle gewinnen, BewohnerInnen und NachbarInnen der beteiligten Häuser könnten diverse Gemeinschaftseinrichtungen wie einen Musikraum, eine Waschküche, eine Sauna oder einen Partykeller nutzen. Beck: „Wir sind derzeit in Abstimmung mit den BewohnerInnen. Wen interessiert was, wer würde sich wo einsetzen und beteiligen“. Dabei ist es nicht notwendig, dass man die Liegenschaft oder eine Wohnung selbst besitzt: „Man benutzt und stellt zur Verfügung: ‚Ihr könnt mein Fahrrad haben, dafür darf ich einmal pro Woche in eurem Gemeinschaftsraum proben.’“, nennt Beck als Beispiel für einen möglichen Sharing-Ansatz.

Von Wachstum und Reichtum

Im Endeffekt sollen sich beide Projekte selber weitertragen: Das geteilte Wohnumfeld „Pocket Mannerhatten“ durch die BewohnerInnen und imGrätzl mit seinem Raumteiler durch lokale BetreiberInnen in vielen weiteren Gemeinden. Denn die Plattform ist bisher einzigartig. Mieschendahl: „Wir träumen davon, dass Menschen diese Open-Source-Plattform übernehmen und dann so etwas in ihrer Stadt ausrollen und selber betreiben. So wollen wir ein anderes Beispiel dafür zeigen, wie Wachstum auch funktionieren kann“.

Denn das Leben ist viel reicher, wenn man das, was ein anderer hat, auch nutznießen kann. Manche nennen es Kapital, manche nennen es Ressourcen. In jedem Fall vermehrt es sich wie das Glück, wenn es geteilt wird …

Raumteiler Guide 2018 1. Auflage, Wien 2017

„Alleine 6 Tage pro Woche im Geschäft zu stehen, kann eine ziemliche Belastung sein. Hinzu kommt für viele der Druck, die laufenden Kosten Monat für Monat alleine heben zu müssen. Das Teilen von Geschäftslokalen kann diese Last abfedern.“

„Wenn Selbständige und Freelancer alleine arbeiten, dann fehlt oft etwas Wesentliches: soziale Kontakte, inspirierende Gespräche und der zwanglose Austausch an der Kaffeemaschine, die das eigene Projekt häufig schneller voranbringen, als viele Stunden Arbeit im stillen Kämmerlein es könnten.“