#3 März 2018 – Hochhäuslbauen

Selbermachen liegt im Trend. „Do it Yourself“ ist sinnstiftend, ermächtigend, und gleichzeitig lässt sich damit Geld sparen. Beim Prinzip DiY geht es längst nicht mehr nur ums Heimwerken oder um die Möbelmontage: Mithilfe industrieller Maschinen kann heute von Ersatzteilen bis zu Robotern beinahe alles selber gemacht werden. Auch ein Hochhaus?

Nikolas Kichler ist überzeugt, dass das möglich ist. Als Teil eines Forschungsteams untersucht er die Umsetzbarkeit von ökologischem Selberbauen in der Stadt – und das gleich mehrgeschoßig: „Wir haben bereits ein Toolkit entwickelt, das es Interessierten ermöglicht, am Bau und der Instandhaltung von Gebäuden in der Stadt mitzuwirken“. Denn Selbermachen stärkt die persönliche Identifikation mit den Dingen und hebt dadurch das Verantwortungsgefühl. Im Kollektiv den eigenen und gemeinsamen  Lebensraum zu erschaffen und zu gestalten, stärkt die soziale Verbundenheit jeder Nachbarschaft. Und wie sich zeigt, kann man so auch eine Menge Geld sparen.

Langlebig und recyclebar

Das Toolkit für urbanen Selbstbau zeigt mit Hilfe einer „Selbstbauampel“ auf einen Blick den Schwierigkeitsgrad verschiedener Bauformen, den möglichen Anteil an Eigenleistung sowie die Kosten der verschiedenen Bauteile und Arbeitsschritte. Bereits bei der Auswahl der Bauformen wurde auf Niederschwelligkeit auf allen Ebenen geachtet. So ist allen vorgestellten Varianten gemeinsam, dass sie unter anderem leicht erlernbar, adaptierbar, wartbar und weiterentwickelbar sind.

Das Projektteam konnte dabei eine Bauform identifizieren, die neben höchster Sicherheit für die selbstbauenden Laien auf der Baustelle eine enorm hohe Flexibilität der Grundrisse im Innenausbau gewährleistet. Diese hat neben dem hohen Grad an Gestaltungsspielraum den Vorteil, dass eine Anpassung an sich wandelnde Anforderungen mit wenig Aufwand möglich ist. So können das Gebäude länger genutzt und Ressourcen geschont werden – „stoffliche“ wie finanzielle. Findet der Lebenszyklus des Gebäudes dereinst dennoch ein Ende, machen sich zu guter Letzt die wiederverwertbaren Baustoffe bezahlt.

Fragen möglicher rechtlicher Organisationsformen geht auch das Projekt BuildyourCity2gether in der Seestadt Aspern nach. Denn wo Profis mit Laien zusammenarbeiten, verschränken sich mehrere Herausforderungen: Im mehrgeschoßigen Bau gelten wesentlich strengere Auflagen als im Fall von ein- bis zweigeschoßigen Gebäuden. Viele Arbeitsschritte sind verpflichtend von ProfessionistInnen abzunehmen. Darüber hinaus stellt Laienarbeit eine mögliche Fehlerquelle dar. Wie kann die fachgerechte Ausführung der Arbeitsschritte gewährleistet werden? Eine rechtliche Absicherung der Selbstbauenden wie auch der beteiligten Baufirmen ist notwendig.

Open Source Architektur

Mit dem sogenannten Smart Citizens Building Prototype demonstrieren Kichler und seine KollegInnen, dass urbaner Selbstbau tatsächlich möglich ist: „Gemeinsam mit Interessierten bauen wir jetzt ein mehrgeschoßiges Gebäude. Es entspricht österreichischen Bauvorschriften, und die Pläne dazu machen wir frei verfügbar“. Man hat die nötige Fachexpertise auf das geringstmögliche Maß reduziert, um der Muskelhypothek so viel Spielraum wie möglich zu lassen. Das Gebäude ist langlebig und dennoch auf- und abbaubar. Es lässt sich modular auf bis zu sechs Stockwerke erweitern, und die Baumaterialien sind wiederverwertbar. Die Baukosten eines solchen Gebäudes lassen sich, je nach Maß der selbst eingebrachten Arbeitsleistung, gezielt variieren.

Reduktion ermöglicht Leistbarkeit

Durch die Entscheidung für eine langlebige Bauweise, nachhaltige Baustoffe und Selbstbau wird ökologisches Bauen im hochverdichteten städtischen Raum leistbarer. Als Schlüssel zum eigenen Hochhaus erweist sich die Reduktion: Um Laien den Zugang zur Baustelle zu öffnen, werden Gefahren und Komplexität so weit wie möglich reduziert und notwendige Expertise auf möglichst wenige, sehr konkrete Punkte konzentriert. Die Option, eigene Arbeitsleistung einzubringen, ist ein Regler auf dem Baukostenmischpult, der es Bauenden  ermöglicht, die Formen ihrer Investitionen in das Haus auf ihre individuellen Möglichkeiten abzustimmen. So gelangt die Produktion des Stadtraumes ein Stück weiter in den souveränen Handlungsspielraum ihrer Bürgerinnen und Bürger.

österreichischer Schriftsteller Stefan Zweig

„Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern.“